Wenn ihr versucht werdet...

Allistair Begg

Wir lesen aus der Bibel, Jakobus Kapitel 1. Nachdem wir heute Morgen in Vers 12 waren, sind wir heute Abend in Vers 13. Das ist der große Vorteil, wenn man die Bibel fortlaufend durcharbeitet: man weiß zumindest, was als nächstes kommt. Es bedeutet auch, dass man die schwierigen Teile nicht überspringen kann, und dass niemand jemals denken wird, dass man einen bestimmten Abschnitt nur seinetwegen ausgewählt hätte, es sei denn, er ist egozentrisch. Wir sind also beim 13. Vers im ersten Kapitel des Jakobusbriefes.

Jakobus 1,13-18

13 Niemand sage, wenn er versucht wird: Ich werde von Gott versucht; denn Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, er selbst aber versucht niemand.
14 Jeder aber wird versucht, wenn er von seiner eigenen Begierde fortgezogen und gelockt wird.
15 Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod.
16 Irrt euch nicht, meine geliebten Brüder!
17 Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, von dem Vater der Lichter, bei dem keine Veränderung ist noch der Schatten eines Wechsels.
18 Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien.

Wir lassen die Bibeln aufgeschlagen und halten einfach inne, bitten Gott um Hilfe: "Was wir nicht wissen, das lehre uns, was wir nicht haben, das gib uns bitte, was wir nicht sind, dazu gestalte uns um, um Jesu Willen. Amen!"

Vers 16 ist wahrscheinlich der Dreh- und Angelpunkt des Abschnittes, nur 5 Worte im Griechischen, 6 auf Deutsch: "Irrt euch nicht, meine geliebten Brüder". Ich hoffe, zeigen zu können, dass diese Aussage der Schlüssel ist um Jakobus’ Lehre von der Versuchung zu verstehen. Heute morgen haben wir gesehen, dass Jakobus den Blick von Prüfungen hin zu Versuchungen lenkt. Wir kennen unterschiedliche Arten von Prüfungen. Prüfungen sind nichts Ungewöhnliches, sie sind kein Hindernis für unser geistliches Wachstum. Es ist Gottes Ziel und Plan, dass wir durch Prüfungen durchgehen und sie bestehen. Während Gott Prüfungen nutzt, um zu beweisen, dass wir als sein Werk zuverlässig sind, verhält es sich mit Versuchungen jedoch anders. Gott geht beim Thema Versuchung nicht auf die gleiche Weise vor. Wie definieren wir Versuchung? Wir sagen: Versuchung ist eine Verlockung zur Sünde und zum Bösen. Das Böse ist alles, was Gottes Gesetz und seinem Willen widerspricht. Wir müssen die Natur des Bösen nicht infragestellen. Das Böse ist alles, was Gottes Offenbarung in seinem Wort, durch seinen Willen und in seinem Gesetz entgegensteht. Als Pastor der Empfänger des Briefes, als treuer Hirte, warnt und führt Jakobus auf angemessene Weise. Er schweift nicht in philosophische Diskussionen über die Art oder Herkunft des Bösen ab, und ich will es an dieser Stelle auch nicht tun. Wenn er es nicht gut, gibt es für mich auch keinen Grund dazu. Folgendes betont er aber: Gott betätigt sich nicht als Versucher seiner Kinder. Es ist nicht seine Art, seine Kinder zu versuchen. Gott ist nicht der Urheber der Versuchung. Gott verlockt uns nicht, zu sündigen. Damit Gott uns zum Bösen versuchen könnte, wäre es erforderlich, dass Gott sich am Bösen freut oder zum Bösen fähig ist; das ist gänzlich unmöglich. So sagt er es (V. 13): "Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, er selbst aber versucht niemand."

Nachdem das mit wenigen Worten geklärt ist, fährt Jakobus fort, den Ursprung der Versuchung zu erklären. Wenn Gott nicht verantwortlich ist, uns zu versuchen, wie läuft Versuchung dann ab? Gleichzeitig weist er uns an und ermutigt uns, damit wir gewarnt seien, diesen Ablauf verstehen, und jeder Versuchung widerstehen, indem wir Gott glauben und auf sein Wort vertrauen. Wir arbeiten uns einfach durch die Verse und bemerken in Vers 14, dass Versuchung mit unseren ureigenen Begierden beginnt. "Jeder aber wird versucht, wenn er von seiner eigenen Begierde fortgezogen und gelockt wird." Die Bibel legt nicht nahe, dass jede unserer Begierden böse ist. Jakobus verwendet das Adjektiv böse, um eine bestimmte Art von Begierde zu beschreiben, die mit Versuchung verbunden ist. Obgleich nicht alle unsere Wünsche böse sind, haben alle unsere Wünsche die Möglichkeit, böse zu sein, weil wir in einer gefallenen Welt leben. Zum Beispiel: das Verlangen nach Nahrung kann in Völlerei umschlagen, das Verlangen nach ehelicher Treue ermöglicht das Konzept der Untreue, das Verlangen nach sexueller Erfüllung innerhalb der Ehe führt außerhalb einer Ehegemeinschaft zu Unzucht. Jedes dieser Verlangen für sich mag nicht böse sein, aber weil wir in einer gefallenen Welt leben, haben alle Begierden das Potenzial zum Bösen. Der Grund, warum Jakobus das aufzeigt, ist deutlich: "Jeder wird versucht [...] von seiner eigenen Begierde." Er zieht uns den Boden unter den Füßen weg, wenn wir unwillkürlich Andere für unsere Begierden, unsere Versuchungen, unsere Verdorbenheit verantwortlich machen.

Wir sehen von Anfang an, dass Adam und Eva den schwarzen Peter weitergeben. Gott sagt zu Adam: "Adam, was geht hier vor?" – Was antwortet er? "Die Frau, die du mir gegeben hast...Es ist nicht mein Problem, sondern ihres." Gott spricht zu Eva: "Eva, wir haben ein Problem." Sie erwidert: "Die Schlange, die in den Garten gekommen ist..."1 Dieses Verhalten ist tief in uns verankert, wir beobachten es sogar bei unseren Kindern. Wenn wir ihnen ihre Verantwortung aufzeigen, finden sie immer eine Ausrede, so jung sie noch sein mögen, warum es nicht ihr Problem ist. Wenn wir älter werden, als erwachsene Kinder, beschuldigen wir Andere. Wir machen das Umfeld verantwortlich, oder wir beschuldigen wie Tom Sawyer den Teufel höchstpersönlich. Vielleicht erinnerst du dich, dass Tom seiner Tante Polly erklärt: "Der Teufel hat mich gezwungen, das zu tun, er war es." Tante Polly packt ihn bei den Ohren und tut ihr bestes, ihm zu erklären: "Tom Sawyer, auf diese Weise kommst du nicht davon."

Das ist es, was Jakobus hauptsächlich sagt: "Irrt euch nicht, beim Thema Versuchung kann keiner von uns der eigenen Verantwortung entfliehen". Die Feststellung der eigenen Begierden ist bedeutsam, weil nicht jeder auf dieselbe Weise, im selben Umfang, durch dieselben Dinge verführt wird. Ich kann es mir beispielsweise nicht vorstellen, dazu versucht zu werden, Tickets für ein Eishockeyspiel zu stehlen. Das sagt nichts darüber aus, ob ich der Versuchung widerstehen kann, ein Dieb zu werden. Es bedeutet nur, dass ich gar kein Interesse an Eishockey habe. Manche von euch halten mich jetzt für einen Spießer. Aber für andere üben diese Tickets für die Mannschaften von Detroit oder Montreal, wie auch immer sie heißen mögen, eine unbändige Anziehung aus. Du sagst: "Das ist eine ziemlich belanglose Veranschaulichung." Zugegeben. Aber nichtsdestoweniger, Jakobus bemerkt diese Anziehung, die uns fortlockt und verführt hier im Vers 14.

Die "English Standard Version" übersetzt das Wort mit "ködern". Ein Köder hat mit Angeln zu tun, oder? Da verwendet man Köder. Vom Angeln hab ich nur wenig mehr Ahnung als von Eishockey, ich begebe mich mit dem Vergleich also auf gefährliches Gebiet. Ich habe es aber im Laden gesehen, wo Beef Jerky verkauft wird, noch so eine Sache, die mich absolut nicht interessiert. Leute, die darauf herumkauen, verdienen es, ihr Leben mit Eishockey oder Angeln zu verbringen. Aber ich habe diese großen Metallteile gesehen, fröhlich-bunt, vermarktet als Köder, mit denen man Fische ködern kann. Sie sind verlockend für Fische. Das ist also das Bild, und es spricht das Problem unserer eigenen Begierden an, von denen wir verlockt und geködert werden, zu denen wir hingezogen werden. Wir können das bei uns feststellen, wenn unsere Gedanken in den Leerlauf schalten, dann finden wir uns plötzlich gedanklich wieder bei diesen Dingen, die sehr anziehend für uns sind. Das ist auch der Grund, warum das Ködern und die Verlockung von Pornographie schon bei Jüngeren eine so große Rolle später im Leben spielt. Weil sie damit geködert, angelockt, weggezogen werden. Und wenn ihre Gedanken in den Leerlauf schalten, werden sie zurückgelenkt zu den Bildern, die ihre jungen Gehirne nicht verarbeiten oder verwalten können. Manche von uns wissen mehr darüber, als ihnen lieb ist.

Fahren wir fort mit dem Gedankengang in Vers 14 und dem Angel-Vergleich. Ich weiß nicht, ob ich für einen Fisch sprechen kann und darlegen, was in seinem Verstand vorgeht. Überhaupt – haben Fische einen Verstand? Das hätte ich prüfen sollen. Ich weiß es nicht, aber lasst uns mal annehmen, Fische hätten einen Verstand. Es ist also denkbar, dass Frau Karpfen ihren Freddy Karpfen zum ersten Mal allein auf die Reise schickt. Und sie warnt ihn: "Wenn du da draußen unterwegs bist, kann es sein, dass du auf diese Teile stößt, die im Wasser herumschwimmen, fröhlich-bunt gefärbt, verlockend. Vielleicht bist du versucht, ihnen nachzugehen. Aber," sagt Frau Karpfen, "was auch immer du tust, tu das nicht. Das anziehende Äußere verdeckt nur die furchtbare Auswirkung, wenn du versucht bist, den Köder zu schlucken". Also geht Freddy los. Er schwimmt umher, sieht einen solchen Köder und erinnert sich, was seine Mutter gesagt hat. Und er schwimmt weg. Aber das Ding ist jetzt in seinen Gedanken. Er sagt zu sich: "Ich sollte sicherlich nicht da reinbeißen, aber wäre es so schlimm, zurückzugehen und nur noch mal einen kleinen Blick darauf zu werfen?" Er vollzieht also eine Kehrtwende, schwimmt zurück, und schaut es sich genau an. Und dieses Mal sieht es noch besser aus als beim ersten Mal. Er beginnt sich zu fragen, ob seine Mutter wirklich nur sein Bestes im Sinn hatte, oder ob sie ihm etwas Wunderbares vorenthalten wollte, etwa ein ausgewachsener Fisch zu werden.

Nun, vergessen wir den Fisch. Reden wir über uns. Wenn wir ehrlich sind, verstehen wir diese Vereinnahmung durch Versuchungen. Unsere Gesellschaft bietet uns auf vielfältige Weise diese Reize, damit wir durch unsere eigenen Begierden geködert, weggezogen, verlockt, vereinnahmt und darin verstrickt werden. Jakobus sagt das etwas, das ich oft so wiedergebe: Säe einen Gedanken, ernte eine Handlung. Säe eine Handlung, ernte eine Gewohnheit. Säe eine Gewohnheit, ernte einen Charakter. Säe einen Charakter, ernte das Ziel der Bestimmung. Es beginnt mit einem Gedanken. Jede Sünde ist ein Insider-Job. Versuchung kann nicht Gott zugeordnet werden, Versuchung kann nicht unserem Umfeld, einer anderen Person oder den Umständen zugeschrieben werden. Jakobus sagt: "Jeder wird weggezogen und verlockt durch seine eigenen Begierden." In Vers 15 knüpft er daran an und zeigt einen Kreislauf lauf. In Vers 12 haben wir heute morgen den Kreislauf entdeckt, der zum Leben führt: Prüfung erdulden, sich bewähren, die Krone des Lebens empfangen. Das ist der erste Kreislauf. Hier im Vers 15 sehen wir den zweiten Kreislauf. Und dieser führt zum Tod: "Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod."

Jakobus hat sicher die Begebenheiten aus dem Alten Testament gekannt, oder? Es ist nicht unvorstellbar, dass Jakobus an Davids Sünde aus 2. Samuel 11 gedacht hat, als er diesen Kreislauf beschrieben hat. Wir schauen uns das nicht alles an, nur zur Erinnerung: "Und es geschah im folgenden Jahr, zu der Zeit, da die Könige [zum Kampf] ausziehen, da sandte David Joab und seine Knechte mit ihm und ganz Israel; und sie schlugen die Ammoniter nieder und belagerten Rabba. David aber blieb in Jerusalem." Nichts daran auszusetzen. Aber "als David zur Abendzeit von seinem Lager aufstand und auf dem Dach des königlichen Hauses umherwandelte, da sah er vom Dach aus eine Frau sich baden." Soweit kein Problem, oder? Es ist okay. Die Frau hat auf dem Dach gebadet. "Und die Frau war von sehr schönem Aussehen." Das könnte zu einem kleinen Problem werden. "Und David sandte hin und erkundigte sich nach der Frau." Das ist ein Problem. "Man sprach: Ist das nicht Bathseba, die Tochter Eliams, die Frau Urijas, des Hetiters? Und David sandte Boten hin und ließ sie holen. Und sie kam zu ihm, und er lag bei ihr."2 Ihr kennt den Rest der Geschichte. Es ist die Geschichte von Jakobus 1,15: "Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod." Siehst du, die Kreuzung, die man vermeiden sollte, ist folgende: Der Ort, wo Begierde und Gelegenheit zusammentreffen. Mit einem von beiden wirst du wahrscheinlich fertig, aber triffst du auf beide zusammen, bist du ein toter Mann. Wenn Verlangen und Gelegenheit zusammenfallen, wird das zum Verhängnis.

Sinclair Ferguson hat hier am 09. Mai 2004 über diesen Abschnitt gepredigt. Ich habe mir Notizen gemacht, und ein paar von euch sicherlich ebenfalls. Erinnert ihr euch, wie er den Ablauf beschrieben hat? Er hat dazu sechs Begriffe benutzt. Er sagte, der Kreislauf der Versuchung läuft folgendermaßen ab:

  1. Reiz

  2. Täuschung

  3. Vereinnahmung

  4. Empfängnis

  5. Unterwerfung

Er meinte damit folgendes: wenn du in die Situation kommst, wirst du schnell beherrscht, verzehrt, abhängig. Zuerst ist es nur eine reizvolle Idee, vor der dich dein Onkel oder deine Großmutter gewarnt haben. Aber was wissen diese alten Leute schon. Und bevor du es gemerkt hast, wurdest du von den Umständen getäuscht. Du wurdest davon vereinnahmt. Die Sünde war empfangen. Und jetzt bist du unterworfen. Das letzte, das sechste Wort, war Verzweiflung. Verzweiflung. Er sagte: "Wenn der Kreislauf an diesen Punkt angelangt, verzweifeln wir wegen unserer Umstände. Konfrontiert mit unserem Versagen, wird uns von Satan gesagt, dass wir jetzt doch komplett aufgeben können, weil wir in so furchtbaren Schwierigkeiten stecken, dass es keinen Weg zurück gibt." Deswegen meine ich, ist Vers 16 der Dreh- und Angelpunkt. Jakobus sagt: "Irrt nicht, meine geliebten Brüder." Er meint damit: lasst euch von diesem Unsinn nicht täuschen, Brüder und Schwestern. Mit den Worten des Kinderliedes aus der Sonntagsschule gesagt: "Wenn Satan sagt, es gibt keinen Weg zurück, ist die Antwort: es gibt einen Weg zurück". Und der Schreiber einer Hymne drückt es so aus:

Da ist ein Weg zurück zu Gott von der Sünde dunklem Pfad,
da ist die Tür, geöffnet weit, damit wir mögen treten ein.
An Golgathas Kreuz ist’s, wo du beginnst,
wenn als Sünder du kommst zu Jesus.3

Das ist die Botschaft des Evangeliums. Siehst du, Satan ist ein ausgemachter Lügner, ein Täuscher, ein Mörder, Vater der Lüge, außerordentlicher Schwindler, der dir 99 Wahrheiten erzählt, damit du seine hundertste Aussage, eine Lüge, dann glaubst. Satan will, das wir glauben, wir hätten eine Auswahl an wundervollen Reizen und Erfahrungen vor uns, aber Gott würde nicht wollen, dass wir es bekommen. Satan will uns glauben machen, Gott enthielte uns die guten Sachen vor. Und wenn wir nur Satans Weg beschritten und seinem Pfad folgten, würden wir all die schönen Dinge entdecken, die wir wegen Gottes Gesetz und Gottes Willen und Gottes Zielen verpassen. Ist das nicht Satans Vorgehen im Garten Eden? Wie spricht er Adam und Eva an? Unter dem Vorwand, es gäbe etwas besseres als was Gott ihnen schon gegeben hatte, um es zu genießen. Sprach er nicht ungefähr so: "Ja gut, es ist schon ein schöner Ort hier. Aber wenn ihr nur das hier ausprobiert, dann werdet ihr selbst Götter sein. Das ist die ultimative Erfahrung. Das will Gott euch verheimlichen."4 Irrt euch nicht.

Jakobus zeigt uns das Gegenmittel für diese Lügen in den Versen 17 und 18. Welches ist das Gegenmittel für die Lügen Satans, des Bösen? Die Antwort steht in Vers 17: eine tief verankerte Überzeugung von der absoluten, unwandelbaren Güte Gottes. "Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat – wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?"5 Gott ist gut, allezeit. "Gott – sein Weg ist vollkommen."6 "Da ist ein Weg, der einem Menschen gerade erscheint, aber sein Ende sind Wege des Todes."7 Satan, der Böse, gestaltet den Weg zum Tod und zur Zerstörung so reizvoll wie möglich. Im Gegenzug wirkt der Gedanke richtig langweilig, mit den Menschen Gottes zusammenzukommen, ihre Lieder zu singen, in dem alten Buch mit Leder-Einband zu lesen, und mit Typen abzuhängen, die man nicht wirklich mag und keine Zeit mit ihnen verbringen will. Aber da drüben, da hat man alle Möglichkeiten und den ganzen Spaß. Das ist die Lüge.

Nun, die einzige Möglichkeit, wie du jemals zu einer tief verankerten Überzeugung der unveränderlichen Güte Gottes gelangst, ist hinzugehen und sie zu suchen. Sein Wort lesen, über seinen Charakter nachdenken, seine Menschen treffen, sein Gesetz lieben, seinem Willen gehorchen, seinem Zweck dienen. Schließlich können wir nichts besseres tun, als das Wunder seiner Güte und seiner erlösenden Liebe uns gegenüber zu bewundern, wenn wir die Herausforderungen der Versuchung meistern, wie in Vers 17 steht: "Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, von dem Vater der Lichter, bei dem keine Veränderung ist noch der Schatten eines Wechsels." In Jakobus 1,8 steht: "Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien." Es ist wie als ob Jakobus sagen würde: lasst mich ganz oben auf der Liste anfangen. Denk darüber nach: er hat uns nach seinem Willen gezeugt. Nach seinem Willen – unaufgefordert, ungefragt, wahrhaftig, sogar unbeeindruckt von unserer Bosheit. Wie zeugt er uns? Durch das Wort seiner Wahrheit. In Römer 10 steht: "Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort."8 Deswegen ist die Bibel so wichtig, weil die Bibel das Mittel ist, durch das wir zur Errettung kommen, und die Bibel ist das Mittel, durch das wir zur Errettung hinwachsen, und die Bibel ist das Mittel, durch das Gott sein Werk vollendet, das er begonnen hat, in dem er uns durch seinen Geist befähigt. "Er hat uns nach seinem Willen gezeugt." Wie? "Durch das Wort seiner Wahrheit." Warum? "Damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien."

Das ist ein alttestamentliches Bild. Die Erstlingsfrüchte der Ernte im Alten Testament gehörten vollständig Gott.9 Die Erstlingsfrüchte der Ernte wurden in Gänze für Gott ausgesondert. Der Bauer ging raus, brachte die Sachen heim zu seiner Frau und sagte: hier ist der Anfang der Ernte, und das alles ist ausgesondert für Gott. Erst nachdem es ganz und für Gott ausgesondert ist, gehen wir zurück und kümmern uns um den Rest der Ernte, vorher nicht. Dieses Bild verwendet Jakobus. "Er hat uns nach seinem eigenen Willen durch das Wort seiner Wahrheit gezeugt." Warum? Damit wir heilig seien. Damit wir vollständig für Gott ausgesondert seien. Damit er in unserem Leben herrsche und regiere. Damit er souverän über unser Denken, über unsere Moral, über unsere Finanzen, über unsere familiären Beziehungen und über unsere geheimen Gedanken sei. In Jesus – in Jesus – sind wir von der Herrschaft der Sünde befreit. Deswegen heißt es in der großartigen Hymne "Fels des Heils" von Augustus Todplay, die heute nur selten gesungen wird: "Be of sin the double cure; cleanse me from its guilt and power / Sei für Sünde doppelte Heilung, mach mich frei von ihrer Schuld und Macht".10

Das christliche Leben ist keine Versicherungspolice, die unser ewiges Ziel der Bestimmung absichert und uns dann alleine damit lässt, unser bestes zu tun, Regeln und Verordnungen einzuhalten. Die Wirkung der Gnade und Güte Gottes in unserem Leben reinigt uns nicht nur von der Schuld der Sünde, sondern ermöglicht uns auch, mit der Macht der Sünde fertig zu werden. "Das frei macht von der Schuld und Macht." Das Bekenntnis von Westminster erinnert uns daran, dass wir als Christen in einen fortwährenden und unversöhnlichen Kampf verwickelt sind,11 und zwar gleich an drei Fronten: gegen die Welt, gegen das Fleisch und gegen den Teufel. Und der Teufel kommt an und sagt: "Hättest du nicht gern was davon? Oder davon? Oder dieses hier?" Und er spricht spricht das an, was in uns ist. Obwohl die Sünde nicht länger herrscht, bleibt sie – deswegen diese Vielfalt an Versuchungen, deswegen dieser Einfluss der Reize, deswegen das Potenzial, vereinnahmt und beherrscht zu werden. Keiner von uns ist immun! Es gibt keinen Mann und keine Frau in diesem Raum, der sagen könnte: "Ich weiß nicht, wovon du redest." Du weißt es, und ich weiß es!

Robert Murray M’Cheyne starb mit neunundzwanzig als Geistlicher der St. Peter Gemeinde in Dundee, und mit sechsundzwanzig sagte er folgendes: "Ich habe entdeckt, dass die Sünden jeder Menschen bekannten Sünde in meinem Herzen wohnen."12 Gott sei dank für diese Ehrlichkeit. Er war der Pastor! Und ich weiß genau, was er meinte. Jeder, der meint, ich wüsste es nicht, versteht absolut gar nichts. Weil ich mich kenne, kenne ich auch euch; und Gott kennt uns alle. In Jesus zerbricht er die Herrschaft der Sünde in unserem Leben. Wir müssen dem Einfluss der Versuchung nicht mehr ausgesetzt sein. Wir müssen nicht im Griff dieser Unterwerfung festgehalten werden. Wir können nicht perfekt leben, aber wir können zunehmend siegreich leben. Andernfalls wäre die Gute Botschaft, das Evangelium, eine Farce, eine Fälschung, und die Kraft des Heiligen Geistes ein lächerlicher Gedanke. Das ist sicher nicht der Fall.

Ein abschließendes Wort aus 1. Korinther 10. Ihr erinnert euch an die aufmunternde Bemerkung, mit der Paulus seine Leser in Korinth warnt. Er warnt sie, dickköpfig und anmaßend selbstsicher zu sein und zu denken, dass diese Botschaft wohl für ihren Nebensitzer bestimmt sei, aber nicht für sie selbst: "Alle diese Dinge, sind geschehen als Vorbilder. Und sie wurden zur Warnung für uns aufgeschrieben, auf die das Ende der Weltzeiten gekommen ist."13 Im Vers 12 heißt es dann: "Darum, wer meint, er stehe, der sehe zu, daß er nicht falle!" Bestimmt meint nun jemand: "Gute Güte, ich denke, ich werde fallen. Ich denke, ich bin dabei, zu fallen. Ich bin dabei, zusammenzubrechen. Ich denke, ich bin gänzlich kraftlos irgendwas dagegen zu tun". Nein! Schaut auf Vers 13: "Es hat euch bisher nur menschliche Versuchung betroffen. Gott aber ist treu; er wird nicht zulassen, daß ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern er wird zugleich mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen, so daß ihr sie ertragen könnt."14 Das ist ein Versprechen, ein kategorisches Versprechen. Sei ehrlich: Wenn wir der Versuchung nachgeben, können wir dann jedes Mal sagen, dass wir nachgeben, weil es die einzige Möglichkeit war, die wir hatten? Nein. Können wir sagen, dass wir keine Möglichkeit hatten, uns abzuwenden, wegzugehen? Dass wir nicht vielleicht in dem Moment eine Benachrichtigung aufs Handy bekamen, von Tante Mabel in Wisconsin: "Hoffe, ihr habt einen schönen Abend!" Und du denkst dir: Was tut sie da, gerade in diesem Moment zu schreiben? Mit der Versuchung kommt die Textnachricht, die Möglichkeit zu entfliehen.

Scheinwerferlicht in eurer Einfahrt, du bist siebzehn und gerade mit deiner Freundin zugange. Deine Eltern kommen wohl heim, Panik. Aber – das Licht entfernt sich wieder, es hat nur jemand gewendet. Es sind nicht deine Eltern. Die Möglichkeit zu entfliehen.

Nein, Gott ist treu in dem Allen. Wenn es uns ernst ist, dann müssen wir uns mit Versuchung auseinandersetzen – ehrlich, sofort, schonungslos, beständig.

Ehrlich und sofort. Wenn dein Dach leckt, repariere es sofort. Warte nicht bis zu zig Eimer in deinem Schlafzimmer stehen hast und kümmere dich darum. Beauftrage jemanden, es zu reparieren, sobald du es bemerkst, außer du willst, dass das Dach einstürzt. Es ist dasselbe mit der Versuchung. Kümmere dich sofort darum.

Kümmere dich schonungslos darum. Jesus hat gesagt: "Wenn aber deine Hand oder dein Fuß dir Anstoß gibt, so hau ihn ab und wirf ihn von dir. Es ist besser für dich, verkrüppelt oder lahm in das Leben einzugehen, als mit zwei Händen oder mit zwei Füßen in das ewige Feuer geworfen zu werden. Und wenn dein Auge dir Anstoß gibt, so reiß es aus und wirf es von dir. Es ist besser für dich, einäugig in das Leben einzugehen, als mit zwei Augen in die Hölle des Feuers geworfen zu werden."15 Es ist eine bildliche Metapher, nicht? Aber sie weist dich an, dich schonungslos darum zu kümmern. Und beständig. Manchmal denken wir, wir haben einen kleinen Sieg über die Versuchung errungen, aber dann verlieren wir das nächste Mal.

Wie wenn du dir denkst: "Im März esse ich mal keinen Kuchen". Dann bist du aber bei jemandem eingeladen, zu Kaffee und Kuchen. "Möchtest du ein Stück Kuchen?" wirst du gefragt, aber du lehnst dankend ab. Dann ist der neben dir an der Reihe: "Möchtest du ein Stück Kuchen?" – "Ja, gerne", und der nächste und so weiter. Der Kuchen entfernt sich immer weiter von dir, und du denkst dir: "O Mann! Aber ich esse keinen Kuchen, nicht in diesem Monat, nein." Die Gastgeberin kommt nochmal vorbei und fragt: "Bist du dir ganz sicher, willst du nicht doch ein Stück Kuchen?" – "Also gut", sagst du. So ist es doch, oder? Weil du dich so gut gefühlt hast, beim ersten Mal abzulehnen, hast du beim zweiten Mal eine Niederlage hingenommen.

Der Teufel ist sehr listig. Du musst dich beständig darum kümmern. Wenn du das erste Mal "Nein!" sagst, musst du auch beim zweiten Mal "Nein!" sagen, und musst du auch jedes Mal "Nein!" sagen. Der Satz, den wir nicht gern hören und auch niemals in Bezug auf die Versuchung sagen sollten, ist dieser: "Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, dass ich das getan habe." Doch! Wir wissen ganz genau, wie das passieren konnte und auch,l wie es wieder passieren kann.

Wir danken Gott für seine Treue, für seine Vergebung, für seine offene Tür, wo wir willkommen sind, wenn wir bußfertig zu ihm kommen. Wir danken für die Erinnerung, dass wir in unserem Leben eine Folge von Neuanfängen und wiederholtem Neubeginn christlich erfahren. Tatsächlich ist das auch der Grund, warum wir uns um diesen Abendmahlstisch versammeln. Denn dieser Tisch wurde im besonderen für Sünder hergerichtet, die zwei Dinge wissen: wie groß ihre Sünde ist, und wie wunderbar ihr Retter ist. Wenn du weißt, dass du ein großer Sünder bist, und du weißt, dass du einen großartigen Retter hast, dann lasst uns um diesen Tisch stehen und dankbar für Gottes erlösende Güte essen. Lasst uns beten:

Vater, lass alles, was von dir kommt, einen bleibenden Platz in unserem Verstand finden. Lass alles, was unwahr oder nicht hilfreich oder unweise ist aus unserem Denken verschwinden. Richte jetzt unseren Blick auf Jesus, am Ende unserer gemeinsamen Zeit heute, damit unsere Herzen zu ihm hingezogen werden, damit wir in ihm Sicherheit und Vergebung finden. Und damit wir durch Ausdruck unserer Gemeinschaft miteinander eine Hilfe und kein Hindernis seien, angesichts der Woche, die vor uns liegt. Um Jesu Willen. Amen.


Diese Predigt wurde am 4. März 2007 von Allistair Begg gehalten. Originaltitel:
"When Tempted…". From Series: Faith That Works, Volume 1 by Alistair Begg
Copyright by Truth For Life. Used with Permission. www.truthforlife.org
Thruth for Life. ID: 2563
Originaltranskript, Video- und Audioaufzeichnung verfügbar unter
https://www.truthforlife.org/resources/sermon/when-tempted/


  1. Genesis 3,12–13↩︎

  2. 2. Samuel 11,1–4↩︎

  3. E. H. Swinstead, "There’s a Way Back to God".↩︎

  4. Genesis 3,1–5↩︎

  5. Römerbrief 8,32↩︎

  6. Psalm 18,30↩︎

  7. Sprüche 14,12↩︎

  8. Römer 10,17↩︎

  9. Exodus 23,16; Nehemia 10,35↩︎

  10. Augustus Toplady, "Rock of Ages, Cleft for Me" (1776). Anm. d. Ü. Hervorhb. d. Ü. Deutsch: "Fels des Heils", s. Römer 6,4-14; Psalm 51,2; 1. Kor. 10,4↩︎

  11. Westminster Bekenntnis von 1647, Artikel 13.2. Anm. d. Ü. Siehe auch Römer 7,18f; Gal. 5,17; 1. Petr. 2,11↩︎

  12. Robert Murray M’Cheyne, zitiert in Andrew A. Bonar, Memoirs and Remains of the Rev. Robert Murray McCheyne (Philadelphia: Presbyterian Board of Publication, 1844), 201↩︎

  13. 1. Korinther 10,11↩︎

  14. 1. Kor 10,13↩︎

  15. Matthäus 18,8-9. Siehe auch Markus 9,43.47↩︎